TEMPEL NEKROPOLIS SAN SIMPLICIO

EINLEITUNG – STATION 1

TEXT

Willkommen im Ausgrabungsgebiet von San Simplicio. Dieser Audioguide wurde von der Aspo-AG produziert; Audioerzählungen von Audio Cultura, Texte und wissenschaftliche Beratung: Dr. Letizia Fraschini.

Zu Beginn ihres Besuchs, begeben Sie sich ans Ende des Korridors; gehen Sie dann wieder zurück und hören sich dabei die jeweiligen Audiobeiträge an. Jeder Haltepunkt ist mit einem Etikett mit einem Kopfhörer-Symbol und der entsprechenden Zahl gekennzeichnet.

Weitere Einzelheiten erfahren Sie aus den Informationstafeln.

STATION 2

TEXT

Wir befinden uns unter dem Platz vor der Kirche San Simplicio, wo Sie einen Teil der archäologischen Ausgrabungen sehen können, die während dessen Sanierung durchgeführt wurden.

Die Ausgrabungen umfassten das gesamte Ihnen besuchte Gebietes und einen Teil des angrenzenden Parkplatzes. Es wurden 450 Gräber und in verschiedenen Schichten an Zeugnissen von Kultstätten und Nekropolen vor der Stadt gefunden, die 2000 Jahre der Geschichte Olbias umfassen – von seiner Gründung durch die Phönizier bis ins Mittelalter.

Das erhöhte Gebiet, auf dem heute die Kirche San Simplicio steht, lag auch in der Antike außerhalb des Stadtgebietes.

Archäologische Untersuchungen zeigen, dass unter der heutigen Kirche in mehreren Schichten weitere, ältere Kultstätten liegen: die ältesten sind wahrscheinlich phönizisch, dann kommen die griechischen, punischen, römischen und frühchristlichen. In der Römerzeit dehnt sich die Nekropole aus, die in punischer Zeit südwestlich von hier lag, und nimmt den Raum um die Kultstätte ein.

Ein Heiligtum einer weiblichen Gottheit – vielleicht der Göttin Ashtart (ausgesprochen Aschtàrt),bestand wohl bereits seit der Gründung der Siedlung durch die Phönizier um 775-750 v. Chr., da bei den Ausgrabungen Fragmente von phönizischen Amphoren entdeckt wurden.
Der Tempel existierte sicherlich während der griechischen Phase von Olbia, als die Griechen aus der Stadt Focèa, an den Küsten der heutigen Türkei, um 630 v. Chr. die Siedlung von den Phöniziern übernahmen.

Zur griechischen Phase des Heiligtums, das der Göttin Demeter oder Hera gewidmet ist, gehören zwei Brunnen, auf deren Grund zum Zeitpunkt der Aufgabe der Stadt um 600 v. Chr. rituell verschiedene Opfergaben hinterlassen wurden.
Vor Ihnen liegt der erste Brunnen mit den darin gefundenen Materialien: eine Weinamphore aus der griechischen Stadt Clazomène (an der Küste der heutigen Türkei), ein Weinkrug mit gelappter Öffnung, ein Wassergefäß mit schwarzen Farbbändern, eine kleine Vase aus lokalem Ton und eine etruskische Weinamphore. Den zweiten griechischen Brunnen werden Sie später sehen.

Das Heiligtum stand auf der ersten Anhöhe außerhalb der Stadt. Der Brauch der symbolischen Aneignung des umliegenden Territoriums durch die Errichtung von Heiligtümern an bedeutenden Orten wie Hügeln, Furten und Landzungen ist typisch für die von den Phöniziern und Griechen im westlichen Mittelmeerraum gegründeten kolonialen Stadtzentren. Es ist daher wahrscheinlich, dass Olbia, zunächst unter den Phöniziern und dann unter den Griechen von Anfang an den Status einer Stadt hatte

STATION 3

TEXT

Mit der karthagischen Eroberung Sardiniens, um 510 v. Chr., ging auch Olbia in die Hände von Karthago über.

Für die punische oder karthagische Zeit gab es bei der Ausgrabung keine eindeutigen Hinweise, aber die Kontinuität des Heiligtums in der späteren römischen Epoche macht es plausibel, dass es auch in der karthagischen Phase aktiv genutzt wurde.

Mit der römischen Eroberung Sardiniens um 238 v. Chr. erlebte Olbia eine Blütezeit. Damals war Rom eine Republik und seit 200 v. Chr. kam es zu einer beträchtlichen wirtschaftlichen und demographischen Entwicklung, weshalb sich auch die Nekropole der Stadt ausdehnte und auf die Hänge des Hügels übergriff, auf dem das Heiligtum stand. In dieser Phase ist die Gottheit, der der Kult gewidmet ist, Ceres, die griechische Demeter, die Göttin des Lebens und des Lebens über den Tod hinaus.
Zunächst entstanden hier Grubengräbern, wie die vor Ihnen, die im Laufe der Zeit immer zahlreicher werden.

Wie Sie sehen, sind die Gräber in der Regel von Grabbeigaben begleitet, die aus einem Paar Trinkgefäßen und Krügen bestehen, und es gibt auch Fragmente von Terrakotta-Statuen der römischen Göttin Ceres.

Von nun an und während der gesamten Römerzeit nimmt die Anzahl der Gräber zu, je näher man dem Tempel kommt. Natürlich befinden sich in den Gräbern keine Knochen, da diese während der Ausgrabung und der Studienphase entfernt wurden.

STATION 4

TEXT

Vor Ihnen sehen Sie noch die Gräber aus römisch-republikanischer Zeit.
Meist handelt es sich um Grubengräber. Wie eng sie neben- und übereinander liegen, zeugt von der großen Hingabe an die Göttin Ceres: Jeder wollte in der Nähe ihres Tempels begraben werden. Die Gräber sind so zahlreich, dass der Anteil der Nekropole allmählich bis zu der der Kastengräber der Kaiserzeit ansteigt, von denen eines vor Ihnen zu sehen ist: Sehen Sie die Mauer, die das Grab begrenzt hat, auf der Erdmasse, die nicht ausgehoben wurde, um es nicht zerstören zu müssen; darunter liegen sicherlich mehrere Grubengräber.

Hier wurde ein Kapuzinergrab für Anschauungszwecke rekonstruiert, das in Wirklichkeit auf einer höheren Ebene gefunden wurde: Die Leiche mit ihrer Grabbeigaben wurde mit dachartig aufgestellten Ziegeln geschützt. In diesem Fall tragen zwei Ziegel den Stempel der Werkstatt, in der sie hergestellt wurden. Diese gehörte einer gewissen Atte, einer freigelassenen Sklavin und Konkubine Neros. Der Kaiser hatte ihr in Olbia diese Ziegelfabrik und einige Ländereien geschenkt.

STATION 5

TEXT

Die Schaukästen enthalten eine Auswahl an Ausgrabungsmaterialien, die dank des Beitrags der Gemeindeverwaltung von Olbia restauriert wurden.

Im ersten Kasten sehen Sie einige Keramikgefäße aus Grabbeigaben der römischen Kaiserzeit. In der Mitte eine Kochgefäß und Trinkgefäße; oben rechts Miniaturreproduktionen von Trinkgefäßen und Behälter für parfümierte Salben; unten rechts weitere Salbenbehälter; unten links zwei Öllampen; oben links ein weitere Behälter für parfümierten Salben.

STATION 6

TEXT

Im Vordergrund rechts sind zwei kleine Amphoren aufgestellt. Es handelt sich um Verbrennungsbestattungen: Der Tote wurde verbrannt, und die wenigen verbliebenen Knochen wurden in Gefäßen verschiedener Form beigesetzt. Auch diese Gegenstände wurden, wie das zuvor gesehene Kapuzinergrab, in Wirklichkeit weiter oben gefunden und hier zu Anschauungszwecken aufgestellt.

Auf der linken Seite vor Ihnen, in der Nähe der Rückwand der Anlage, sehen Sie den zweiten Brunnen aus der griechischen Zeit von Olbia, der von innen beleuchtet ist. Wie im ersten Fall wurden auf seinem Grund rituell hinterlassen Gefäße gefunden, die jetzt neben dem Brunnen ausgestellt ist: zwei große Amphoren für Öl oder Wein aus Korinth, von denen eine vollständig wieder zusammengesetzt wurde, eine Weinamphore von der Insel Chìos (vor der Küste der heutigen Türkei) mit den typischen roten Bändern, ein Weinkrug.

Links neben dem Brunnen befinden sich noch Gräber aus römisch-republikanischer Zeit und oben ein Teil eines Kapuzinergrabes aus der Kaiserzeit, das später von einer Mauer geteilt wurde.

STATION 7

TEXT

In diesem Schaukasten sehen Sie einige Objekte aus der römischen Kaiserzeit: eine dünne Bleitafel mit einer schematisch eingravierten menschlichen Figur, die Nägel der Sohlen von zwei Schuhen und Puppen mit beweglichen Gliedern und zwei Pfeifen in Form einer Henne und einer Taube, die aus Kindergräbern stammen. Die Statuetten hingegen befanden sich in den bereits zuvor erwähnten römisch-republikanischen Gräbern.

STATION 8

TEXT

Wir wissen, dass der Tempel von Ceres um 60-70 n. Chr. von Atte umgebaut wurde, der Konkubine, der Nero riesige Besitztümer im Gebiet von Olbia geschenkt hatte und die der Göttin sehr verbunden war. Von dem Eingriff zeugt die Inschrift auf dem Architrav des Tempels, der im Mittelalter höchstwahrscheinlich beim Bau der Kirche San Simplicio gefunden und sofort nach Pisa transportiert wurde, wo er noch heute zu sehen ist.

Einige Jahre später, während der Herrschaft der Flavier – genauer: Vespasiàn, Titus und Domitian – wurde der Zugang zum Heiligtum monumental umgestaltet, wobei die beiden langen, heute sichtbaren Parallelmauern entstanden, die eine Zugangsrampe zum Tempel flankierten. Wenn die Mauer am Fuße der archäologischen Stätte nicht existierte, könnte man in dem Raum zwischen den beiden Mauern auf einer höheren Ebene den Eingang zur Kirche San Simplicio sehen, der genau auf einer Achse mit den römischen Mauern liegt. Die übereinstimmende Ausrichtung der römischen Mauern und die Kirche ist ein weiterer Beweis dafür, dass sie auf früheren Heiligtümern errichtet wurde.

STAZION 9

TEXT

Das Pflaster der Zugangsrampe, von dem noch Spuren vorhanden sind und das unter der Flavier-Dynastie verlegt wurde, bedeckte zwei ältere monumentale Gräber, vielleicht aus punischer Zeit, die leider schon in der Antike geplündert wurden, und die rechts von der langen linken Mauer aus großen Steinplatten gebaut waren.

 

Mit der Verbreitung des Christentums wurde nach 313 n. Chr. der Kult der Göttin Ceres im Heiligtum durch den des Märtyrers Simplicius ersetzt.

Die Jahrhunderte des frühen Mittelalters, von etwa 450 bis 1000 n. Chr. C., sind schwierige Zeiten für Olbia, und deshalb gibt es kaum Bestattungen, und die wenigen sind sehr schlicht: es sind Grubengräber, die manchmal nur von einigen Steinen begrenzt sind und in denen keine Beigaben gefunden wurden.

Für eine kulturelle und wirtschaftliche Wiedergeburt der Stadt muss man auf das warten, was in Sardinien als die Zeit der Richter bezeichnet wird; die Insel war damals in vier Teile aufgeteilt, die “Giudicati“ – Gerichtsbezirke –  genannt wurden. Olbia war die Hauptstadt eines von ihnen, nämlich des Giudicato di Gallura.

In dieser Phase, 1100 n. Chr., wurde die romanische Kirche San Simplicio errichtet, die noch heute auf dem Platz über der Ausgrabungsstätte steht.

Für den Bau der Kirche wurde ein Kalbrennkofen gebaut; es handelt sich um die kreisförmige Wandstruktur vor Ihnen, die zwischen den beiden römischen Mauern des Eingangs zum Heiligtum platziert wurde und von innen beleuchtet ist. Der Ofen war notwendig für den Bau der Kirche und spätere Bauvorhaben und wurde von der kirchlichen Autorität verwaltet.

Der Ofen wurde an dieser Stelle gebaut, weil es die niedrigste war, da es die Zugangsrampe zum Heiligtum war, während darüber hinaus das Bodenniveau höher war, weil in früheren Jahrhunderten kontinuierlich Gräber hinzugefügt worden waren.

 

Zwei Gräber stammen aus der Zeit der Richter.

Eines besteht aus Granitplatten und liegt zwischen dem Ofen und dem Sockel der Rückwand des Ausgrabungsbereichs, zwischen den beiden langen römischen Mauern des Eingangs zum Heiligtum, die mit weißem Innenlicht beleuchtet sind.

Das andere wurde mit Ziegelmauern über der langen römischen Mauer auf der linken Seite gebaut; da es fast die Überdachung des archäologischen Bereichs berührt, ist nur ein Teil der Ziegelmauer an der Stelle zu sehen, an der die römische Mauer auf die Rückwand der Ausgrabungsstätte trifft.

STATION 10

TEXT

In diesem Schaukasten befinden sich einige Glasgefäße aus Gräbern der römischen Kaiserzeit. In der Mitte Fläschchen für parfümierte Salben und Fragmente eines Kruges; oben rechts Fragmente von kegelförmigen Behältern für parfümierte Salben; unten rechts Fragmente eines Kruges;  daneben kleine Trinkgefäße; oben links ein Glas und eine Flasche.

STATION 11

TEXT

In diesem Schaukasten sehen Sie einige Schmuckstücke und persönliche Ziergegenstände aus den Grabbeigaben aus der römischen Kaiserzeit, zwei Bleibehälter für kleine Gegenstände oder Kosmetiksalben und in der Mitte zwei Bronzespiegel.

Von besonderer Bedeutung ist ein reicher Satz von Ringen und Juwelen aus einem Grab, das daher üblicherweise “Grab des Herrn der Ringe” genannt wird, unter denen ein Ring mit einem in Silber gefassten Karneol mit einer menschlichen Figur hervorsticht und eine Silberscheibe mit der Reiterfigur des Kaisers Konstantin.

STATION 12

TEXT 12

Hier sehen Sie zwei Gräber mit ihren Beigaben und zwei Kapuzinergräber aus römischer Zeit. Letztere wurden nicht ausgegraben, um dem Besucher zu zeigen, wie sie zum Zeitpunkt der Entdeckung aussahen.  In der Erde unter den vier Gräbern sind sicherlich noch mehrere andere Gräber verborgen.

 

Die Tonplatten, die an der linken Wand des archäologischen Bereichs lehnen, sind die am besten erhaltenen von denen, die die Kapuzinergräber bedeckten.

 

Wie Sie vielleicht bemerkt haben, ist diese Ausgrabungsstätte nicht leicht zu verstehen, da man gleichzeitig Fundstücke, Gräber und Mauern sieht, die über einen Zeitraum von etwa 1700 Jahren verteilt sind. Die Oberaufsicht für Archäologie, Bildende Kunst und Landschaft und die Gemeinde Olbia haben jedoch beschlossen, diese archäologische Stätte mit Mitteln der Europäischen Gemeinschaft und der Region Sardinien zugänglich zu machen, weil sie die gesamte antike Geschichte der Stadt bezeugt, und weil die Bewohner und Besucher so eine konkrete Vorstellung davon bekommen, dass einige Zentimeter unter dem heutigen Boden eine ganze antike Stadt liegt, die auch durch die geringsten Erdbewegungen gefährdet wird.

STATION 13

TEXT

Damit endet unser Rundgang, aber wir haben noch mehr Informationen für Sie.

Wenn Sie es noch nicht getan haben, raten wir ihnen, die Kirche San Simplicio auf dem Platz über der Ausgrabungsstätte zu besuchen. Dort sehen Sie zwei weitere wichtige Beweise für die Existenz älterer Kultstätten im Untergrund:  Die drei Kirchenschiffe sind durch zwei Säulenreihen getrennt, die sich mit quadratischen oder rechteckigen Pilastern abwechseln; Sie werden leicht feststellen, dass die Basis der Säulen nicht direkt auf dem Boden der Kirche ruht, sondern auf Blöcken, die aus diesem herausragen und eindeutig zu einem früheren monumentalen Gebäude gehören.  Darüber hinaus geht der Eingang fast aller solcher Kirchen in Sardinien – und nicht nur dort – nach Westen, während er hier nach Osten ausgerichtet ist, wie der griechische und römische Tempel, und das einfach deshalb, weil er über einem heidnischen Heiligtum errichtet wurde.

 

Schließlich laden wir Sie ein, das Archäologische Museum an der Meerpromenade mit den außergewöhnlichen Relikten römischer Schiffe und andere öffentlich  zugängliche Denkmäler in und um von Olbia zu besuchen: den Nuraghen von Càbu Abbas, den heiligen nuragischen Brunnen von Sa Testa, das Gigantengrab von Pèdres, die punischen Mauern in der Via Torino, die punischen Siedlung und die Säulen des römischen Aquädukts in der Via Nanni, das römische Aquädukt in der Via Mincio, die Burg von Pedres und die Kirche aus dem 19. Jh. in der via Antonio Spano.

 

Vielen Dank für Ihren Besuch.

Scroll to top